Biodiesel oder Pflanzenöl?
Zur Frage nach der besseren Treibstoffstrategie
Prof. Dr. E. Schrimpff FH Weihenstephan D-85350 Freising
Einführung
Die Verknappung des weltweit begehrten Energietraegers „Erdöl“ hat vor zwei Jahren zu einem Preissprung gefuehrt, der nicht nur die Autofahrer alarmiert, sondern auch die Wirtschaftssysteme der Industrie-Staaten belastet hat. Die logische Konsequenz einer solchen Krise: Man begibt sich auf die Suche nach Alternativen, die nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch nachhaltiger sein sollen und darueberhinaus auch den aufstrebenden Laendern Europas und der Dritten Welt eine Chance bieten können.
Zu den biogenen Treibstoffen, die schon heute in Deutschland einige Hunderttausende von Fahrzeugen antreiben, gehoeren Biodiesel und Pflanzenöl. Biodiesel kommt heute in traditionellen Dieselmotoren ohne wesentliche Anpassung zum Einsatz. Weniger bekannt ist naturbelassenes Pflanzenöl, das jedoch als Treibstoff in dafuer entwickelten oder umgeruesteten (Diesel-) Motoren in den letzten Jahren zunehmend Verwendung findet.
In dieser Umbruchsphase der Energiewirtschaft lautet für vorausschauende Nationen die Kernfrage: „Welchem dieser zwei moeglichen Optionen - Biodiesel oder Pflanzenöl - soll man auf Dauer den Vorzug geben? Welcher dieser Bio-Kraftstoffe verspricht langfristig gesehen die grössten oekonomischen, oekologischen und sozialen Vorteile?“
Grundsätzliches
Pflanzenöl ist biochemisch gespeicherte Sonnenenergie hoechster Dichte. Jedem Samenkorn hat die Natur eine Portion Pflanzenöl mitgegeben: Eine geniale Starthilfe, um dem Saemling unter den verschiedensten Umweltbedingungen und noch völlig unabhaengig von Licht und Naehrstoffen die Chance zur Wurzel- und Sprossbildung zu geben. Im Vergleich zu Biofest-stoffen (Holz, Stroh) und Biogas stellt Pflanzenöl die dichteste Energieform der Photosyn-these dar. Mit einer Energiedichte von rund 9,2 kWh je Liter liegt es ziemlich genau zwischen Benzin (8,6 kWh/l) und Diesel (9,8 kWh/l). Im Gegensatz zu Benzin und Diesel aus Erdöl ist Pflanzenöl jedoch regenerativ, CO 2-neutral und frei von Schwefel, Schwermetallen und Radioaktivitaet. Es besteht nur aus Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H) und ein wenig Sauerstoff (O) im Verhältnis von etwa C 60H 120O 6. Pflanzenöle werden im einfachsten Fall durch Zermahlen der Samen und anschliessender Kaltpressung gewonnen, wobei Schwebstoffe vom Rohöl durch Sedimentation oder Filtration abgetrennt werden (SCHRIMPFF, 2001).
Biodiesel dagegen entsteht aus dem Rohstoff „Pflanzenöl“ unter Zugabe von Kalilauge durch Veresterung mit Methanol, und erfordert fuenf zusaetzliche, energie- und kostenaufwaendige industrielle Zwischenschritte zu seiner Erzeugung.
In Deutschland wurde bisher die Biodiesel-Produktion und -Vermarktung in erheblichem Masse subventioniert, so dass inzwischen ein fast flaechendeckendes Biodiesel-Tankstellennetz (> 1500 Tankstellen) und mehr als 12 zentrale oelmuehlen und Biodiesel-Produktionsanlagen mit einer Jahres-Gesamtkapazitaet von rund 800.000 t bestehen. Da Biodiesel ueberwiegend aus Rapsöl hergestellt wird, nennt man ihn häufig auch ‚Rapsmethylester‘ (RME).
Das naturbelassene Pflanzenöl dagegen wurde als Treibstoff bis vor vier Jahren von der Öffentlichkeit wenig beachtet, obwohl private Initiativen seit nun fast 20 Jahren die vorzügliche Eignung von Pflanzenölen in speziell entwickelten Motoren (Elsbett) und seit 7 Jahren in umgeruesteten (Vorkammer- und TDI-)Dieselmotoren in mehr als 1000 Fahrzeugen unstrittig nachgewiesen haben. Der Durchbruch der Pflanzenöl-Technik begann vor 9 Jahren, und seit zwei Jahren zeichnet sich wegen der relativ hohen Preise für Diesel-Treibstoffe ein Boom ab. Derzeit fahren rund 5000 Fahrzeuge in Deutschland mit naturbelassenem Pflanzenöl, und mittlerweile wird die Pflanzenöl-Technik auch durch den Staat in bescheidenem Umfang (z.B. 100-Traktor-Umruestprogramm) gefördert.
Vergleich der Treibstoffe
In den folgenden Tabellen werden neben einigen physikalischen und chemischen Kennwerten von Pflanzenöl und Biodiesel auch die wesentlichen Schritte zu deren Gewinnung, die Fragen des Transportes und der Lagerung, der Umwelt- und Sozialvertraeglichkeit und schliesslich die Kosten vergleichend dargestellt.
Die physikalischen Kennwerte ‚kinematische Viskosität‘ und ‚Flammpunkt‘ fallen aus motorischer Sicht zugunsten von Biodiesel aus, weil sie den Eigenschaften von mineralischem Diesel wesentlich naeher kommen als Pflanzenöle (z.B. Rapsöl & Leindotteroel, s. Tab. 1).
Tab. 1: Einige physikalische und chemische Kennwerte von Pflanzenölen & Biodiesel
Die chemischen Eigenschaften von Biodiesel und Pflanzenölen sind im Vergleich zu Diesel erheblich günstiger zu bewerten, was auch in der Regel zu geringeren Abgasemissionen führt. Da aber Biodiesel im Gegensatz zu Pflanzenölen wie ein Loesungsmittel wirkt (Problem bei herkoemmlichen Schlaeuchen und Dichtungen), ferner recht hygroskopisch ist, also Wasser anzieht und Motoroele verduennt (doppelt so haeufige Öl- und Filterwechsel sind erforderlich als mit einem Diesel- bzw. Pflanzenoelbetrieb), ergibt sich hier ein deutlicher Vorteil für Pflanzenöle, die darüber hinaus wesentlich bessere Schmiereigenschaften haben (Lebensdauer der Einspritzpumpen und Motoren).
In der Energiedichte unterscheiden sich Pflanzenöle und Biodiesel (9,2 bzw. 8,9 kWh/l) nur wenig. Sie liegen als Treibstoffe ziemlich genau zwischen Benzin und Diesel (vgl. Abschn.2).
Deutliche Unterschiede sind jedoch bei der Gewinnung der beiden Kraftstoffe festzustellen (s. Tab.2):
Tab. 2: Arbeits- & Energie-Aufwand bei der Gewinnung von Pflanzenölen & Biodiesel
Die Unterschiede betreffen das Produktionsprinzip (für Pflanzenöle können sich zahlreiche kleine und dezentrale oelmuehlen etablieren, für Biodiesel dagegen sind eher wenige zentrale und grossindustrielle Anlagen erforderlich), den notwendigen Produktionsaufwand (nur drei Schritte bei Planzenöl, jedoch acht bei Biodiesel) und den Energieaufwand: Für die Pflanzenöl-Erzeugung werden 15% des Energiegehaltes vom Pflanzenöl selbst benötigt, für Biodiesel dagegen 36% seines eigenen Energiegehaltes. Allerdings weist Biodiesel eine energetische Gutschrift durch das anfallende Nebenprodukt Glyzerin auf, die mit 4% angerechnet werden kann, so dass im Endergebnis 32% des Energiegehaltes von Biodiesel für seine Herstellung benötigt werden.
Transport und Lagerung von beiden Treibstoffen sind deutlich unproblematischer als bei Diesel. Allerdings besteht bei Biodiesel ein hoeheres Risiko als bei Pflanzenölen, da es leichter brennt (s. Flammpunkt, Tab. 1) und weniger umweltvertraeglich ist, was mit der schlechteren biologischen Abbaubarkeit, der höheren Grundwassergefaehrdung, der Human-Toxizitaet und der erschwerten Möglichkeit, Stoffkreislaeufe zu schliessen, zusammenhaengt (s. Tab. 3).
Tab. 3 : Risiken bei Lagerung & Transport sowie Umwelt- & Sozialvertraeglichkeit
Nicht nur die Umweltvertraeglichkeit faellt zugunsten von Pflanzenölen aus, auch die Sozialvertraeglichkeit ist bei der Pflanzenöl-Option besser, denn Strategie, Logistik, Transport-wege, Verwundbarkeit gegen Terroranschlaege und regionale Wertschoepfung sprechen eindeutig zugunsten von Pflanzenölen.
Betrachtet man schliesslich die wichtige Kostenfrage (s. Tab. 4), dann ergibt sich nur bei der derzeitigen Anpassung bzw. Umrüstung von Dieselmotoren an den jeweiligen Treibstoff ein deutlicher Vorteil für Biodiesel, Vorteil allerdings, der in Zukunft bei eingefuehrter Serienfertigung der treibstoffangepassten Motoren kaum oder nicht mehr vorhanden sein wird, weil keine nennenswerten Preisunterschiede mehr vorkommen werden. Darueberhinaus wird die Umrüstung von bestehenden Diesel-Motoren zahlreiche neue Arbeitsplaetze schaffen.
Tab. 4: Kosten der Motortechnik und der Treibstoffe bei der Pflanzenöl- bzw. Biodiesel- Strategie
Es bleibt dann nur noch die Frage der Treibstoffkosten, die schon heute für Pflanzenöle um 0,15 - 0,20 EUR je Liter geringer ausfallen. Geht man von der derzeitigen Biodiesel-Jahresproduktion von ca. 800.000 t aus, der mehr als 900 Millionen Liter Rapsmethylester entsprechen (s. Dichte, Tab. 1), dann fallen bei einem angenommenen Mehrpreis von 0,15 EUR je Liter für den deutschen Verbraucher und die deutsche Volkswirtschaft schon heute jaehrlich rund 135.000.000 EUR vermeidbare Mehrkosten an! In Zukunft duerfte der Preisunterschied zwischen Biodiesel und Pflanzenölen weiter zunehmen, weil einerseits die Methanol-Herstellung, die bisher an Erdöl und Erdgas gekoppelt ist, mit der Verknappung dieser fossilen Energieträger teurer werden wird, und andererseits, weil das Biodiesel-Abfallprodukt „Glyzerin“ mit einer Saettigung des Gyzerin-Weltmarktes zunehmend geringere Erloese ermöglichen wird.
Koennen sich die Nationaloekonomien der Welt dann noch Biodiesel leisten?
Fazit und Ausblick
Natuerlich ist ‚Biodiesel‘ als Treibstoff wesentlich sinnvoller als das Erdoelprodukt ‚Diesel‘, aber der Vergleich der Biodiesel- und der Pflanzenöl-Strategien ergibt noch mehr Vorteile für die Pflanzenöl-Alternative. Beide – die Pflanzenöl- und Biodiesel-Erzeugung - werden der zukuenftigen Landwirtschaft neue und bedeutende Einkommensquellen erschliessen, die eindeutig groessere regionale Wertschoepfung für den laendlichen Raum wird jedoch mit der Pflanzenöl-Option zu erzielen sein. Ferner werden die Nationaloekonomien der Welt mit der Pflanzenöl-Strategie über einen absolut umweltfreundlichen, sozialvertraeglichen und um rund 30% billigeren Treibstoff verfuegen.
Darueberhinaus ist anzunehmen, dass die Biodiesel-Strategie - in der Zange von steigenden Methanol-Kosten und abnehmenden Glyzerin-Erloesen – in wenigen Jahren in eine wirtschaft-lich prekaere Lage geraten wird. Naturbelassene Pflanzenöle dagegen haben das Potenzial, billiger zu werden, vor allem wenn extensiver oekologischer Anbau von oelfruechten und insbesondere Mischfrucht-Anbausysteme (z.B. Weizen mit Leindotter oder Erbsen mit Leindotter) die Produktionskosten senken werden (MAKOWSKI & PSCHEIDL, 2001).
Quellen
CARMEN (2000): „Campa-Biodiesel aus der Methylesteranlage in Ochsenfurt“, Broschuere, 4 S.
ELSBETT, L. (1999): „Energiebilanz bei der Produktion von Treibstoffen“, Tabelle als Umdruck
HARTMANN, H. & SREHLER, A. (1995): „Die Stellung der Biomasse“ Landwirtschaftsverlag Muenster, 396 S.
MAKOWSKI, N. & PSCHEIDL, M. (2001): „Mischanbau – eine Alternative?“ Neue Landwirtschaft 5, S. 48-51
MAURER, K. (2000): „Stand der Entwicklung bei Pflanzenoelmotoren“, Beitrag 3.Tagung ‚Dezentr. Pflanzenöl-nutzung in der Landwirtschaft‘ ( 17.11.2000 in Aulendorf), 6 S.
MAURER, K. (2002): „Kaltgepresstes Rapsöl in Kraftstoffqualitaet – Qualitaetssicherung“, Beitrag 6. Tagung
Dezentrale Pflanzenoelnutzung in der Landwirtschaft‘ ( 16.11.2002, Aulendorf), 6 S.
SCHARMER, K. (2001): „Biodiesel – Energie- und Umweltbilanz Rapsmethylester“ U.F.O.P, Bonn, 57 S.
SCHRIMPFF, E. (2001): „Treibstoff der Zukunft: Wasserstoff oder Pflanzenöl?“ Energie & Pflanzen 3, S. 28-31
WAGNER, U. (2000): „Ganzheitliche Systemanalyse für die Erzeugung und Anwendung von Biodiesel und
Naturdiesel im Verkehrssektor“ Studie i.A. des Bayer. St.Min. f. Ernaehrung, Landwirtschaft & Forsten,
T.U. Muenchen, Lehrst. f. Energiewirtschaft, Dez. 2000, 71 S.
WIDMANN, B. (2000): „Qualitätsstandard für Rapsöl als Kraftstoff“ T.U.M. Landtechnik Weihenstephan &
Universitaet Hohenheim & ASG Augsburg (Tabelle)
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