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Gesamtwirtschaftliche Bewertung des Rapsanbaus
zur Biodieselproduktion in Deutschland
Rapserzeugung traegt zur Einsparung von
Interventionskosten für Getreide bei
Die Kosten der Intervention sind alle anfallenden Kosten,
die mit dem Aufkauf, der Lagerung und dem Verkauf von
Getreide durch Interventionsstellen in Zusammenhang
stehen. Sie können nur, gestuetzt durch Erfahrungswerte
der vergangenen Jahre, plausibel gesetzt werden. In der
Vergangenheit beliefen sich die Kosten der Intervention
auf ca. 51,13 € je Tonne. Niedriger lagen im Allgemeinen
die Erstattungen beim Export. Da ab 2001 ein vergleichsweise
niedriger Interventionspreis von 101,31 €
pro Tonne gilt, ist auch für das Jahr 2003 mit niedrigeren
Erzeugerpreisen als bisher und damit auch mit einem
geringeren Erstattungsbedarf bei Exporten zu rechnen.
Je nach Marktlage auf dem Weltmarkt konnten in der Vergangenheit
Erstattungsbetraege von bis zu 40,90 € je Tonne
Getreide faellig werden. Für die Zukunft ist vielleicht
mit einem durchschnittlichen Satz von 20,45 € pro Tonne
zu rechnen.
Eingesparte Interventionskosten nehmen keinen Einfluss auf
die modellinternen Rechengaenge. Sie sind gesondert zu berechnen
und können als Einsparung an Staatsausgaben aehnlich wie zusaetzliche Steuereinnahmen bzw. Steuerrueckfluesse
gewertet werden.
Dem Fiskus entgehen 2003 eine halbe Mrd. € an
Mineralölsteuern
Bei einem Mineralölsteuersatz von 0,47 € je Liter Dieselkraftstoff
für 2003 entgehen dem Staat bei einem Biodieselverkauf
in Hoehe der hier unterstellten Erzeugung von
955 500 Tonnen Biodiesel Steuereinnahmen in einer Hoehe
von 497,5 Mill. q. Dieser Wert muss jedoch geringfuegig,
um knapp 0,5 Mill. €, nach unten korrigiert werden,
da seit Einführung der zweiten Stufe der Ökosteuer für Dieselkraftstoff,
der im oeffentlichen Nahverkehr eingesetzt wird,
eine Steuerrueckverguetung von 3,83 Cent je Liter gewaehrt
wurde. Zusammen mit weiteren Mindereinnahmen, die aus
entfallenden Importabgaben resultieren, belaufen sich die
zu veranschlagenden Einnahmeausfaelle auf insgesamt
501 Mill. €.
Zusaetzliche Einkommen und
Investitionen führen zu einer
weitgehenden Kompensation der
staatlichen Einnahmenausfaelle
Die Produktionskette Raps – Biodiesel traegt
zur Entstehung von Arbeitnehmereinkommen
und Einkommen aus Unternehmertaetigkeit
und Vermoegen bei. Diese belaufen
sich bei der Preisvariante m originaer auf
524,6 Mill. €, bei der Preisvariante h auf
690,8 Mill. €. Durch den Keynesschen Multiplikator
und den Akzeleratoreffekt erhoehen
sich diese auf 807,8 Mill. qbzw. 1,03 Mrd.€.
Während der Keynessche Multiplikator dazu
dient, die durch zusaetzliche Einkommen induzierte
Konsumnachfrage zu quantifizieren,
bezieht sich der Akzelerator auf den Kapitalverbrauch
(Abschreibungen) und die dadurch
induzierten Reinvestitionen. Dieser
volkswirtschaftliche Einkommenszuwachs
entspricht einer zusaetzlichen Beschaeftigung von 18 230 Personen
bei der Preisvariante m, die sich aus Selbstaendigen,
abhaengig Beschaeftigten und mithelfenden Familienangehoerigen
zusammensetzen, und bei der Preisvariante h sind
es 19 720. Davon entfallen allein 7 170 zusaetzlich beschaeftigte
Personen (Preisvariante m), bzw. 8 660 (Preisvariante
h) auf den Keynesschen und den Akzeleratoreffekt.
Angesichts des raschen Strukturwandels auf der landwirtschaftlichen
Produktionsebene ist es jedoch problematisch,
von einem Zuwachs an Arbeitsplaetzen zu sprechen.
Es handelt sich jedoch um zusaetzliche Arbeitsvolumina,
die entlohnt werden, und für die in typischen landwirtschaftlichen
Einzelbetrieben zum Beispiel entsprechend
mehr der verfuegbaren Familienarbeitskraft eingesetzt wird.
In landwirtschaftlichen Betrieben mit Fremdarbeitskraeften,
wie sie in Ostdeutschland weitgehend das Bild praegen,
kann es sich dagegen durchaus um »echte« Arbeitsplatzeffekte
handeln.
Die Steuerrueckfluesse belaufen sich bei Variante m auf
154,7 Mill. q, bei Variante h auf 194 Mill. q. Zusammen mit
den eingesparten Interventionskosten für Getreide, die mit
50,1 Mill. q angesetzt wurden, entspricht das 41 bzw. 49%
des staatlichen Einnahmeausfalls. Rechnet man die Steuerrueckfluesse
aus der Imkerei in Hoehe von 14 Mill. q dazu,
erhoehen sich die Koeffizienten auf rund 44 bzw. 51%. Neben
der Finanzverwaltung profitiert auch das System der
Sozialversicherung durch zusaetzliche Einnahmen, die sich
insgesamt (einschliesslich Imkerei) auf 145,8 Mill. q (m) bzw.
158,8 Mill. q(h) belaufen. Diese »Rueckfluesse« sind zwar nicht
unmittelbar mit Steuerrueckfluessen zu vergleichen, da ihnen
zukuenftige Leistungsansprueche gegenueberstehen. Ihnen
kommt deshalb ein eigener argumentativer Stellenwert zu, der angesichts der Lage der Sozialversicherungskassen
ebenfalls von Gewicht ist. Fasst man jedoch Steuerrueckfluesse
und zusaetzliche Sozialversicherungseinnahmen zusammen,
so belaufen sich die zusaetzlichen kompensierenden
Leistungen der Produktionskette Raps – Biodiesel auf
73 bzw. 83% der staatlichen Mindereinnahmen. Die genannten
Werte duerften in Wirklichkeit sogar noch etwas höher
liegen, weil aus Mangel an verlaesslichen Daten nicht alle
Ebenen induzierter Wirtschaftstaetigkeit im Modell hatten
berücksichtigt werden können. Dazu gehoeren
-
die Transport- und Handelsdienstleistungen, die im Vertrieb
von Biodiesel anfallen (und denen entsprechende»Einsparungen bei herkoemmlichem Diesel gegenüber
zu stellen waeren),
-
die Investitionen in die Infrastruktur von Tankstellen und
-
die Investitionen und Arbeiten bei den Motoren- bzw.
Fahrzeugherstellern, die im Kontext mit der Herstellung
der Biodieseltauglichkeit von Motoren, den jeweiligen
Pruefvorgaengen und den Freigaben stehen.
Angesichts der ermittelten volkswirtschaftlichen Effekte der
Produktionskette Raps – Biodiesel, insbesondere der weitgehenden
Kompensation der Steuerausfaelle bei einem Verzicht
auf eine Einführung der Kraftstoffsteuer für Biodiesel,
lässt sich die Ansicht vertreten, dass es gesellschaftlich zu
rechtfertigen ist, die verbleibenden Mindereinnahmen den
positiven Effekten des Einsatzes von Biodiesel anzurechnen.
Diese bestehen in einem geringeren Ausstoss an Schadstoffen,
was sich in Innenstadtbereichen guenstig auswirkt,
und vor allem in der leichten biologischen Abbaubarkeit, die
insbesondere in umweltsensiblen Bereichen von grosser Bedeutung
ist. Der vorbeugende Boden-, Gewaesser- und Trinkwasserschutz
legt es geradezu nahe, auf den Einsatz von fossilen Treibstoffen ueberall dort zu verzichten,
wo eine potentielle Gefaehrdung von Boeden
und Grundwasser resp. Trinkwasserreserven
gegeben ist, zumal in der Form von
Biokraftstoffen umweltvertraegliche und unmittelbar
einsetzbare Alternativen gegeben
sind. Die Möglichkeiten, die die EU-Vorschlaege
in dieser Hinsicht einraeumen, sollten
von Seiten der nationalen Politik auf jeden
Fall ausgeschoepft werden.
Autoren: Manfred Schoepe und Guenter Britschkat
Quelle: ifo Institut für
Wirtschaftsforschung
Literatur Langbehn, C. und F. Plessmann (1998), Rapsanbau nach der Agenda 2000, Studie des Institutes für Agraroekonomie, Kiel.
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