Auto Technik Lexikon - Technik und Treibstoffe
Ethanol (Kraftstoff)
Alkohol als Kraftstoff wird im allgemeinen mit seinem chemischen Namen Ethanol bezeichnet.
Im Sommer 2002 erliess das Bundesministerium der Finanzen ein Gesetz zu Steuerbefreiung u. a. von Ethanol als Biokraftstoff zur Beimischung zu fossilen Kraftstoffen (Anlehnung an EU-Direktive 92/81EWG Art.8.No.4.) und holte eine bereits intensiv gefuehrte Diskussion ins Licht der oeffentlichkeit.
Ethanol
• UN-Nummer 1170
• Gefahrennummer 30 + 33
• Flammpunkt 12°C
• Energiedichte pro kg = 7,44 kWh/kg = 26,78 MJ/kg
• Energiedichte pro Liter = 5,87 kWh/l = 21,14 MJ/l
• Dichte = 0,7894 kg/l
• kinematische Viskosität bei 40 °C = ?
Weltweit werden etwa 320 Millionen hl (32 Mrd. l) Ethanol hergestellt, wovon mit 42 Mio. hl etwa 13% auf die europaeischen Laender fallen. Das EU-Ziel liegt nach unterschiedlichen Angaben bei 400 Mio. hl für 2010. Groesste europaeische Erzeuger sind Russland und Frankreich (Abb1). Deutschland erzeugt jaehrlich fast 4 Mio. hl zu gleichen Teilen als Getraenkealkohol und als Alkohol für chemisch-technische Zwecke, was einer Eigenbedarfsdeckung von etwa 62 %. entspricht. Neben der Produktion von Neutralalkohol für Getraenke, Lebensmittel und technische Zwecke fallen weltweit etwa 65% auf die Herstellung von Kraftstoffethanol.
Herstellung
Als Rohstoffe sind in Lateinamerika Zuckerrohr und in Nordamerika Mais von groesster Bedeutung, denn sie liefern hohe Gehalte an Zucker und Stärke, die nach enzymatischer Aufspaltung als Glukose zur Ethanolproduktion durch Hefen genutzt werden. Die anfallende Bagasse aus der Melassenutzung ist schwer zu entsorgen, die Schlempe aus der Maisnutzung kommt jedoch in getrockneter Form als Maiskleberfutter (dried distillers grains and solubles, DDGS) auf den europaeischen Markt. Mais als Rohstoff ist für Europa uninteressant, aber Zuckerrueben, Kartoffeln und echte Getreide werden bereits eingesetzt.
Die Bagasse, Melassevergaerung wird aufgrund des geringen Naehrwertes für die Tierernaehrung direkt als Futtermittel nicht eingesetzt. Oft jedoch wird die Restenergie der Bagasse über eine teils mehrstufige Methanvergaerung in den Energiekreislauf der Destillerie zurueckgefuehrt, wodurch die Kosten je Einheit produzierten Ethanols reduzierbar sind. Die Fortentwicklung der Technik schreitet rasant voran, so dass zukuenftig mit Anlagen, die Wasser in beinahe Trinkwasserqualitaet abgeben, vorstellbar sind. Schwachpunkt dieses Ansatzes und auch der bisher sehr konkurrenzfaehigen, lateinamerikanischen, auf Zuckerrohr basierenden Biokraftstoffproduktion ist die alleinige Ausrichtung auf die produzierte Menge Ethanol. Trotz mangelnder Flexibilitaet liegt der grosse Vorteil der Zuckerrohrnutzung jedoch in der guenstigeren Rohstoffbasis, dem deutlichen Standortvorteil und dem geringeren Kapitalaufwand durch den Verzicht auf grossvolumige Trocknungsanlagen. Zurzeit sind Unternehmungen dieser Art die guenstigsten Anbieter von Ethanol auf dem Weltmarkt und stellen das Modell dar, das Neueinsteiger wie Indien und Thailand wählen.
Mit Ethanol Auto fahren
Die Volkswirtschaften jenseits des Atlantiks entschieden, das Beimischen von Ethanol zu fossilen Kraftstoffen nicht nur zu fördern, sondern gesetzlich zu forcieren. Was in Europa als innovativ gilt, ist dort eine lange Tradition, die sogar zurueckreicht, bis zum ersten Serienauto Anfang des 20. Jahrhunderts. Henry Ford entwarf naemlich das Ford Model T, die Tin Lizzy, auf Basis der Nutzung von Ethanol als Kraftstoff und hatte bereits Visionen von der nachhaltigen Einbeziehung der Landwirtschaft als Kraftstofflieferant. Erst auf Druck der rasch wachsenden Petroleumindustrie hatte Ford später die Motoren umgestellt.
Ausblick
Europa blickt heute auf Kraftstoffalkohol unter dem Aspekt der Erfuellung des Kyoto-Protokolls und potentieller neuer Maerkte für die Landwirtschaft. Nach der Einführung von Biodiesel unter der Foerderung des Anbaus nachwachsender Rohstoffe ist dieser Ansatz für die Landwirtschaft nicht neu, jedoch wurde bald deutlich, dass Diesel nicht für alle Energiemaerkte interessant ist und die oeffentlichkeit ein Auge auf die Energiebilanz des Gesamtkonzeptes wirft. Die Frage, ob nach Einbeziehung des Aufwands für den Anbau, der Raffinierung, Weiterverarbeitung und Entsorgung netto mehr Energie erzeugt wird als aufgewendet wurde und ob das Verfahren netto zu Reduktion der CO2-Ausscheidungen beiträgt, steht ständig zur Diskussion. Hinzu kommt die noch ungeloeste Frage, ob die oeffentlichkeit gentechnisch veraenderte Pflanzen zur Erzielung höherer Ertraege in diesem Zusammenhang akzeptieren moechte.
Energiebilanz
Die Nettoenergiebilanz der Alkoholerzeugung war nicht immer eindeutig positiv, aber die Industrie konnte innerhalb der letzten 10 Jahre einige entscheidende Durchbrueche erzielen. Am Institute For Brewing and Distilling in Lexington (Kentucky), Kentucky, gelang beispielsweise die natürliche Selektion einer extrem thermostabilen Hefe, die eine Gaerung unter weit höheren Temperaturen als bisher üblich erlaubt, und unter Laborbedingungen Alkoholgehalte bis zu 23 % in der Vergaerung von Mais erreicht; ein deutlicher Schritt gegenüber den sonst ueblichen 13 14 %. Die hohe Gaerungstemperatur bedeutet eine erhebliche Energieersparnis bei der Kuehlung und Dauer des Gaervorgangs und ermöglicht eine vollstaendigere Vergaerung der Maische. Auch die Enzyme, die den Rohstoffen zugesetzt werden, um Stärke aufzuschliessen und Glukose freizusetzen (?-Amylasen, Glucoamylasen) haben eine Revolution erlebt. Die Wiederentdeckung des jahrtausend alten Verfahrens der Trockenfermentation (Koji) bringt leistungsfaehigere und temperaturtolerante Enzymkomplexe hervor, die nicht nur Stärke und Zucker, sondern auch Zellulosen und Hemizellulosen aufschliessen. Aber nicht nur die biologische Seite der Fermentation, sondern auch die Anlagentechnik hat bedeutende Fortschritte erfahren. Der Wasserverbrauch wurde deutlich reduziert, durch neues Hygienemanagement sind Infektionen des Systems vermeidbar und durch molekulare Siebtechniken fast reines Ethanol nach der Destillation zu erzielen. Die Sorge um eine negative Energiebilanz ist begruendet, kann aber durch neue Technologien ueberholt werden und die oekonomischen Herausforderungen sind durch die Betrachtungen des Gesamtkonzeptes einer Fermentation von Getreide bezwingbar. Mit Blick auf die Bilanzen zu Energie, Treibhausgas und oekonomik schneiden Getreide bei kalkulatorischer Beruecksichtigung des Futterwertes der Nachprodukte am Besten ab.
Landwirtschaft und oekonomie
Echte Getreide bieten nach Durchlaufen der Fermentation je nach Verfahren weit hoeherwertige Futtermittel als Mais, Kartoffeln und Zuckerrueben bisher ermöglichten. Mit Proteingehalten von 40 % und höher bei auch für Monogastrier interessanter Aminosaeurenzusammensetzung erreichen diese fermentierten Getreidefutter vielleicht potentiell groessere Maerkte als nur der Einsatz im Kraftfutter für Milchvieh wie bisher. Im Ethanolpreis müssen die Brenner jedoch mit dem Weltmarkt konkurrieren, denn Kraftstoffalkohol faellt als frei handelbares Gut nicht unter die regulatorischen Massnahmen des Branntweinmonopols - ein harter Kampf.
Prognosen für die europaeische Produktion zeigen einem jaehrlichen Ausstoss von 7 Millionen Tonnen getrocknetem, fermentierten Futter, davon alleine eine Million Tonnen in Deutschland, wozu deutsche Destillerien bis zu 3 Millionen Tonnen Getreide aus der Landwirtschaft einkaufen muessten. Aber neben wenigen Pilotprojekten in kleinem Rahmen existieren diese Anlagen in Deutschland bisher nur auf dem Papier und nun gilt es, die Fehler der amerikanischen Ethanolbranche nicht zu wiederholen. Dort sind von über 250 Unternehmen, die vor 20 Jahren in dieses Geschaeft einstiegen, nur zwei grosse übrig geblieben. Der Untergang dieser Projekte ist groesstenteils auf einen wesentlichen Fehler zurueckzufuehren: Mangelndes Verstaendnis für das Potential des erzeugten Nebenproduktes als Futtermittel. Die anfallende Schlempe wurde meist gratis oder gerade kostendeckend in die Landwirtschaft verschleudert. Dies wird heute von den deutschen Schnapsbrennern aehnlich praktiziert, jedoch verdienen diese Unternehmen am eigenen Markenprodukt oder am hoeherwertigem Neutralalkohol in Getraenkequalitaet. Für Ethanol als Biokraftstoff jedoch steht der Preis fest. oekonomische Beweglichkeit gibt es daher im Rohwareneinkauf und in der Vermarktung der Nebenerzeugnisse.
Ein hoher Wert für die erzeugten Futter im Markt ist realistisch, denn ein nach QS-Kriterien bewertetes europaeisches Erzeugnis, hergestellt durch ein natuerliches Fermentationsverfahren unter Einbeziehung aller futtermittelrechtlichen Regularien, ist genau, was der Markt heute offen begruesst.
Jenseits des Atlantiks sieht man diesen Gedankengaengen mit Sorge entgegen, denn etwa ein fuenftel der dort anfallenden Maiskleberfutter exportiert die nordamerikanische Ethanolbranche nach Europa (Abb2). Grosse Anstrengungen werden nun unternommen weitere Anwendungen für DDGS zu suchen. Die Entwicklung wird deutlich in der 2002 eroeffneten Bioraffinerie in Springfield, Kentucky als weltweit einzige Anlage dieser Art. Dort entwickelt Alltech Inc. für die Ethanol- und Futtermittelbranche nachgelagerte Gaerprozesse zur Erzeugung hoeherwertiger Futtermittel und neuer Lebensmittelzusaetze, sowie neue Zellulasekomplexe als Futterzusatzstoffe.
Visionen werden Realitaet
Der modernere Blickwinkel sieht also, das Herstellen eines hochwertigen Futtermittels mit Ethanol als Nebenprodukt. Gleich auf welches Produktionsziel die Betreiber ihr Augenmerk richten, so beguenstigt der biologische und technische Fortschritt die oekonomik aller anfallenden Produkte, denn eine effizientere Maischepraeparation führt zu einer effizienteren Gaerung aber auch zu reduzierten Wasserverbrauch, geringeren Trocknungskosten und zu weniger Faserbestandteilen im Endprodukt. Eine effizientere Gaerung ermöglicht auch höhere Gehalte wertvolleren Proteins. Fortschritte in der Destillation und Alkoholtrennung bedeuten mehr Alkoholertrag und Fortschritte bei der Gestaltung von Trocknungsanlagen bedeuten kostenguenstigere Produktion der Futter. Eine effizient laufende Anlage erzeugt zudem Futter in konstanter Qualität, wie sie die Mischfutterbranche sucht. Als 8 9 % Ethanol aus der Gaerung Standard waren, war die Diskussion um 14 % Utopie. Gute Anlagen in Nordamerika fahren heute bereits 17 18 %, sogar 19 % Ethanol und Prof. Ingledew von der University of Saskatchewan in Canada diskutiert Ethanolertraege über 20 % als zukuenftigen Standard in der Gaerung. Eine Steigerung der Effizienz des gesamten Systems ist auch bedeutsam für die Beurteilung von Ethanol als oekologisch ausbalancierte Energiequelle durch die oeffentlichkeit. Bisherige ökologische Gutachten auf Basis veralteter Daten fielen eher zugunsten der Nutzung von Biogas oder Holz aus.
Die Fermentation von Getreide bedeutet im Wesentlichen einen Abbau antinutritiver Effekte, die Erhöhung der Verdaulichkeit der Mineralstoffe (Phosphor!), eine teilweise Aufspaltung der Faserfraktionen und eine deutliche Erhöhung des Proteinanteils bei verbesserter Pansenstabilitaet. Da der Fermentationsprozess im Wesentlichen zu einer Konzentration der Inhaltsstoffe führt, birgt dieser Prozess auch Risiken, die nur durch hoechste Sorgfalt im Einkauf und der Anlagenfuehrung zu bewaeltigen sind. Denn auch die Konzentrationen einiger unerwuenschter Stoffe wie Schwermetalle und Mykotoxine erhoehen sich im Endprodukt. Historisch lag gerade darin stets der grosse Vorteil in der Reinheit der alkoholischen Erzeugnisse aus Destillationsverfahren, denn unerwuenschte Bestandteile blieben in der Schlempe zurück. Fusarientoxine werden durch die Maischepraeparationen und das Gaerverfahren nicht abgebaut und liegen relativ zur Rohware im Endprodukt in bis zu doppelter Konzentration vor. Dieses Phaenomen bedeutet auch, dass bisher eher im Hintergrund auftretende Toxine wie Fusarinsaeure in ein kritisches Niveau gelangen können. Für den Ablauf des Gaerungsverfahrens selbst ist die Toxinkonzentration eher von untergeordneter Rolle, da die Empfindlichkeit der eingesetzten Hefekulturen weit höhere Konzentrationen betrifft als sie die Tierernaehrung diskutiert.
Der Rohwareneinkauf kuenftiger Brennereien, die Futter erzeugen moechten, muss also sehr hohe Qualitaetsanforderungen, aehnlich denen der Brauindustrie verbindlich in der Landwirtschaft durchsetzen und diese beim Futterverkauf Argumentativ nutzen. Neben der Reinheit bestimmen nicht Proteingehalt und Fallzahl sondern Stärke und Feuchte den Preis, da geringe Schwankungen im Stärke- und Feuchtegehalt der Rohwaren unmittelbar mit der Alkoholausbeute korrelieren. Die Hoffnung, Biokraftstoffanlagen bieten ein ideales Medium zur Vermarktung drittklassiger Ware oder gar Beseitigung nicht verkehrsfaehiger Getreide ist schnell zerschlagen. Neue oder schlicht andere Qualitaetskriterien bestimmen den Markt und gerade darin liegt wiederum die grosse Chance für die heimische Ware gegenüber dem Import.
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