Auto Technik Lexikon - Technik und Treibstoffe
BtL-Kraftstoff (Biomass to Liquid)
BtL-Kraftstoff (Biomass to Liquid, deutsch: Biomasse zu Flüssigkeit) bezeichnet Kraftstoffe, die aus Biomasse synthetisiert werden. Im Gegensatz zu Biodiesel wird BtL-Kraftstoff allgemein aus fester Biomasse (z.B. Brennholz, Stroh, Bioabfall, Tiermehl, Schilf) und nicht nur aus Pflanzenöl hergestellt.
Prinzipiell können mit der BtL-Herstellung, die aus einer Kombination mehrerer Verfahrensschritte besteht verschiedenste Kraftstoffsorten erzeugt werden. Das können neben herkoemmlichen Krafstoffersatzstoffen auch vollkommen neu entwickelte und auf moderne Motoren abgestimmte Kraftstoffe sein. Allgemein werden diese Kraftstoffe häufig unter dem Begriff Sunfuel (Sonnenkraftstoff), einer von Volkswagen gepraegtem Bezeichnung zusammengefasst. Sie symbolisiert den Ursprung des Kraftstoffs: Pflanzen, die sich durch die Energie der Sonne entwickelt haben.
Gegenwaertig liegt der Schwerpunkt der BtL-Entwicklung praktisch ausschliesslich auf der Entwicklung und Herstellung von Dieselkraftstoffen. Sie werden unter Bezeichnungen wie SunDiesel oder Eco-Par vertrieben. Die benoetigte Technologie ist noch nicht im grossindustriellen Massstab vorhanden, doch erste Demonstrationsanlagen arbeiten bereits. Die Motivation zur Entwicklung von BtL-Kraftstoff entstammt nicht zuletzt der Annahme, dass in wenigen Jahrzehnten nicht mehr ausreichend Rohöl gefördert werden kann, um die Nachfrage zu decken.
Geschichtlicher Hintergrund
Auch Erdöl entsteht auf natuerlichem Wege aus organischen Materialien, die unter hohem Druck und hoher Temperatur stehen. Dabei wandeln sie sich in Kerogene und später in Kohlenwasserstoffe um und wandern, da sie leichter als Wasser sind, bis sie unter einer undurchlässigen Gesteinsschicht ankommen und sich zu einer Lagerstaette sammeln.
Erste Versuche
Die Techniken zur Herstellung von Biogas und zur Umwandlung von Synthesegas mit der Fischer- Tropsch-Synthese in einen fluessigen Kraftstoff sind bereits seit den 1920ern bekannt. Sie wurden teilweise auch schon im Zweiten Weltkrieg in Deutschland zur Herstellung von Kraftstoff mittels Kohleverfluessigung angewendet.
Es gelang jedoch damals nicht die Verfahren zu kombinieren, da Biogas nicht die notwendige Reinheit (teerfrei) besitzt und der zusaetzliche technische Aufwand und damit die Kosten im Vergleich zur Foerderung und Verarbeitung von Rohöl zu hoch sind.
Herstellung
Die Verarbeitung beginnt damit, die stark wasserhaltige Biomasse zu trocknen. Als Ausgangsmaterial finden sowohl Biomasseabfaelle, wie Stroh oder Restholz, als auch speziell für die Kraftstofferzeugung angebaute Nutzpflanzen Verwendung. Die getrocknete Biomasse wird anschliessend zu Biogas umgewandelt, um dann verfluessigt zu werden.
Moderne Syntheseverfahren
Es gibt bereits verschiedene Verfahren im Demonstrationsmassstab, wie das der deutschen Choren Industries GmbH, womit Biomasse, im Groessenmassstab von einigen hundert Litern am Tag, zu BtL-Kraftstoff umgewandelt werden kann. Im August 2005 hat Choren vereinbart, zusammen mit dem Mineralölkonzern Shell die weltweit erste grosstechnische Fertigungsanlage für 15.000 Tonnen BtL-Kraftstoff im Jahr zu errichten. Die Anlage soll Ende 2006 in Betrieb gehen und zu Kosten von 1,0 Euro je Liter Treibstoff produzieren. Der nächste Schritt soll dann im Jahr 2008 mit einer Anlage in Lubmin zur Produktion von 200.000 Tonnen BtL-Kraftstoff im Jahr gegangen werden. Es wird erwartet, dann zu 0,60 Euro je Liter Treibstoff produzieren zu können und damit in der Gröoessenordnung von Biodiesel aus Raps zu liegen.
Geplant ist dabei, das Carbo-V®-Verfahren von Choren zur Produktion von Biogas mit dem von Shell entwickelten Shell Middle Distillate Synthesis, einem weiterentwickelten Fischer-Tropsch-Verfahren, zu kombinieren. Shell erzeugt damit bereits im grossindustriellen Massstab im malaysischen Bintulu GtL-Kraftstoff aus Erdgas und mischt ihn seinem "V-Power"-Kraftstoff bei
Carbo-V®-Verfahren
Dieses Verfahren beruht auf einem zweistufigen Prozess, wobei zuerst bei ca. 450 °C die stueckige Biomasse in Koks und teerhaltiges Schwelgas zerlegt wird. Während der Biokoks ausgeschleust und zermahlen wird, erfolgt bei ca. 1500 °C eine Flugstromvergasung, so dass die laengerkettigen Kohlenwasserstoffe des Schwelgases in einfache Molekuele und damit in ein teerfreies Gas zerlegt werden können. Die hohe Temperatur dieses Gases wird anschliessend benutzt, um den ausgeschleusten Biokoks bei nun 900 °C ebenfalls zu vergasen. Das damit entstandene Rohgas ist teerfrei und nach dem Entstauben und Waschen von gleicher Qualität wie Erdgas.
Kraftstoffeigenschaften
Es gibt derzeit noch keine Messwerte. Fischer- Tropsch-Kraftstoffe werden eine 7% geringeren volumetrischen Energieinhalt im Vergleich zu Diesel haben, eine niedrigere Viskosität und eine viel höhere Cetanzahl pdf.
BtL-Kraftstoff ist frei von Schwefel und Aromaten. Durch die Steuerung des Synthese-Prozesses kann der Treibstoff gezielt auf niedrige Stickoxid- und Russemissionswerte "eingestellt" werden. Der Einsatz von BtL-Kraftstoff erfordert keine oder nur geringfuegige Änderungen am Verbrennungsmotor und keine speziellen Zuleitungen, was einen Vorteil gegenüber dem Einsatz von reinem Biodiesel darstellt.
Eco-Par
Eco-Par® ist der Markenname der schwedischen Oroboros AB für einen bereits seit September 2004 am Markt befindlichen BtL-Kraftstoff für Dieselmotoren. Neben der Umstellung einiger Stadtbusse in Schweden ist Eco-Par auch vereinzelt bereits in Deutschland erhältlich. Der Kraftstoff kann ohne Modifikationen am Motor verwendet werden. Das Herstellverfahren und die chemischen und physikalischen Eigenschaften ähneln denen des von Choren in Deutschland zunaechst nur im kleinen Rahmen produzierten SunDiesel.
Biotrol/SunFuel/SunDiesel
Der Begriff Sunfuel wurde von Volkswagen eingeführt. Mercedes Benz verwendete die Bezeichnung Biotrol. Mittlerweile scheinen sich beide Autokonzerne auf die Bezeichnung SunDiesel geeinigt zu haben. Hersteller dieses Kraftstoffs ist die deutsche Firma Choren Industries.
SunDiesel® ist eine wasserklare, oelige Flüssigkeit und frei von Schwefel und Aromaten. Sie ist wesentlich schadstoffaermer als vergleichbare Kraftstoffe (35 - 55 %) und verbrennt unter weniger Ausstoss von Schadstoffen. Der Kraftstoff zeichnet sich durch eine, im Vergleich zu herkoemmlichem Diesel, viel geringere Anzahl an verschiedenen im Gemisch enthaltenen Stoffen aus. Diesel hat rund 400, SunDiesel nur etwa 10 Bestandteile. Durch richtige Spezifikation entweder des Kraftstoffs (z.B. durch Anpassung der Dichte) oder auch des Motors, lässt sich eine "genauere" Verbrennung erzielen, was dann die Emissionen von Russ, Kohlenmonoxid und auch Stickoxiden reduziert. Ein weiterer Vorteil ist die hohe Cetanzahl von über 70 (Mass für die Zündwilligkeit; das EU- Mindestmass beträgt 49).
Geschichte
Schon Mitte der 1990er hatte Bodo Wolf, der in der DDR Leiter des Brennstoff-Instituts war, die Idee aus Holz Kraftstoffherzustellen. Unter Kombination des Carbo-V-Verfahrens, die dreistufiges Vergasungsverfahren, bei dem Biomasse zu Synthesegas umgewandelt wird, das sich durch Teerfreiheit und geringe Methananteile auszeichnet) mit dem der Fischer- Tropsch-Synthese (grosstechnisches Verfahren zur Umwandlung von Synthesegas in flüssige Kohlenwasserstoffe) ist die Ausführung nun greifbar und kommt jetzt als zweistufiges BTL-Verfahren zur Anwendung (Biomass To Liquid).
Produktion und Martkeinfuehrung
Im grossen Stil wird die SunDiesel-Produktion bei der saechsischen Firma Choren Industries, zu deren Gesellschaftern auch Bodo Wolf gehört, betrieben. Nach drei Jahren der Forschung an einer Pilotanlage soll im saechsischen Freiberg die "Beta-Anlage" anlaufen. Die angepeilte Jahreproduktion von 15.000 Tonnen soll als erste Tankfuellung von neuen Mercedes- und VW-Automobilen ausgeliefert werden.
Für 2009 ist die Inbetriebnahme einer Grossanlage für 400 Mio. Euro in Lubmin geplant, deren Jahresausstoss dann 200.000 Tonnen betragen soll. Die Biomasse soll aus der naeheren Umgebung stammen, wodurch indirekt und direkt neue Arbeitsplaetze geschaffen werden. Im August 2005 stieg der oelkonzern Shell im Rahmen einer Minderheitsbeteiligung in das Geschaeft ein und wird damit Technik und Vertriebsnetz stellen. Mit der anlaufenden Massenproduktion soll der Anteil von GtL (Gas To Liquids: Umwandlung von Erdgas in flüssige synthetische Produkte), das nicht so klimaneutral verbrennt wie SunDiesel, von 5% an der Kraftstoffmarke "V-Power" durch BTL ersetzt werden. Der Anteil soll dann noch vergroessert werden, was wesentliche Emissionsvorteile bringt.
Für 30 Jahre wird der Marktanteil von BtL auf 20% prognostiziert.
Umweltauswirkungen
Aus 4 Kilogramm Holz kann 1 Liter Sunfuel gewonnen werden. Theoretisch kann jeder Dieselmotor auch mit SunDiesel betrieben werden. Der Praxis ergab sich ein verringerter Ausstoss von (unverbrannten) Kohlenwasserstoffen (um 40%), Kohlenmonoxid und Russpartikeln. Allerdings musste auch ein leichter Leistungsverlust hingenommen werden.
Schaetzungen zufolge soll sich auf einem Hektar Ackerland soviel Biomasse anbauen lassen, dass daraus jaehrlich ca. 4000 Liter BtL-Kraftstoff hergestellt werden können (Quelle: siehe (1)).
• http://www.btl-plattform.de
• http://www.choren.de Hersteller
• Carbo-V®-Verfahren (PDF-Datei)
• Kritik am Fischer Tropsch Diesel bzw. BtL-Kraftstoff (PDF-Datei)
• http://www.oroboros.se Eco-Par Hersteller-Website
• deutsche Sun-Diesel-Bezugsquelle mit technischen Daten
• autokiste.de - SunDiesel-Herstellungsprozess Grafik
• daimlerchrysler.com - Umweltbericht 2004 - Daten & Fakten Sichtweise eines Fahrzeugherstellers
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