Auto Technik Lexikon - Technik und Treibstoffe
Wankelmotor
Der Wankelmotor (auch: Kreiskolbenmotor) ist ein Verbrennungsmotor, bei dem keine zylindrischen Kolben in einem Zylinder in axialer Richtung hin- und herbewegt werden. Stattdessen findet sich die umkehrfreie Bewegung eines so genannten Kreiskolbens, der auf einer Exzenterwelle angeordnet in einem Trochoidgehaeuse kreist und gleichzeitig um seine eigene Achse rotiert. Die Kontur des Kreiskolbens besteht aus drei abgeflachten Kreisboegen und sieht wie ein "bauchiges" Dreieck aus (Reuleaux-Dreieck). Die Ecken stehen ständig in Kontakt mit dem Trochoidgehaeuse und bilden so drei unabhaengige Arbeitsraeume.
Benannt ist der Wankelmotor nach seinem Erfinder Felix Wankel, der ihn ab 1954 entwickelt hat. Zuerst wurde er als Drehkolbenmotor (DKM54) ausgefuehrt. Später setzte der NSU-Ingenieur Hanns Dieter Paschke den Aussenlaeufer still, so entstand der KKM57P.
Beschreibung des Arbeitsablaufes für einen Arbeitsraum
Ein Arbeitsraum läuft am Einlassschlitz vorbei, wobei ein Kraftstoff-Luft-Gemisch angesaugt wird. Durch den bei der Drehung des Kreiskolbens immer kleiner werdenden Arbeitsraum wird das Kraftstoff- Luft-Gemisch in diesem Arbeitsraum verdichtet. Nach dem Gasgesetz erwärmt es sich durch die Verdichtung. Schliesslich erreicht es den Ort der Zündkerze. Jetzt hat das Kraftstoff-Luft-Gemisch seine hoechste Dichte und wird gezündet. Durch die Verbrennung wird der Kreiskolben beschleunigt. Man spricht dabei vom Arbeitstakt. Im Gegensatz zu einem Otto- oder Dieselmotor geht die bei der Verbrennung freiwerdende Energie direkt in eine Drehbewegung der Kurbelwelle über. Mit weiterer Drehung des Arbeitsraumes vergroessert sich das Brennraumvolumen wieder. Der Auslassschlitz wird erreicht, das Abgas wird durch diesen ausgestossen.
Dieser Zyklus wird von jedem der drei Arbeitsraeume durchlaufen, was bedeutet, dass bei einer Kolbenumdrehung drei Zuendungen stattfinden.
Anmerkung: Der Kreiskolbenmotor arbeitet nach dem Viertaktprinzip. Die Taktdauer beträgt beim Wankelmotor 270° und ist somit 50% laenger als beim 4T-HKM (4-Takt-Hubkolbenmotor). Ein kompletter Viertaktdurchgang umfasst 1080° gegenüber 720° beim 4T-HKM.
Vor- und Nachteile (gegenüber dem Hubkolbenmotor)
Ein Vorteil des Wankelmotors ist sein relativ einfacher Aufbau. Er hat nur wenige bewegliche Teile (je nach Bauart unterschiedlich viele, meist zwei Kreiskolben und die Exzenterwelle). Dadurch, dass sich alle Teile nur um ihren Schwerpunkt drehen, kann man einen Wankelmotor vollkommen auswuchten. Der Wankelmotor hat wegen einer um 50 Prozent längeren Taktdauer eine weit groessere Gleichfoermigkeit im Motorenlauf als ein Hubkolbenmotor. Die Kraftuebertragung geschieht direkt auf die Extenterwelle und benötigt keinen Umweg über die beim Hubkolbenmotor vorhandenen Pleuel. Auch benötigt ein Wankelmotor keinerlei Ventile wie ein Viertakt-Hubkolbenmotor. Darueber hinaus hat er einen niedrigen Oktanzahlbedarf und eine höhere Ausfallsicherheit.
Der Wankelmotor besitzt eine relativ geringe Baugroesse. Das heisst, er ermöglicht eine hohe Leistungsdichte bei geringem Gewicht. Der Grund liegt in der kompakteren Anordnung von Exzenterwelle und Laeufer im Vergleich zu Kolben, Pleuel und Kurbelwelle beim Hubkolbenmotors. Auch benötigt man nur die Haelfte an Kammervolumen im Vergleich zum Hubraum des Viertakt-Hubkolbenmotors, weil bei jeder Exzenterwellenumdrehung ein Arbeitstakt pro Kammer stattfindet. Durch die raeumliche Trennung von Ansaug- und Verbrennungsraum ist der Wankelmotor besonders für den Wasserstoffbetrieb geeignet. Durch die Abwesenheit von heissen Auslassventilen ist zudem die Klopffestigkeit gegenüber dem Viertakt- Hubkolbenmotor gesteigert. Bei Viertakt-Hubkolbenmotoren kann sich das Gemisch naemlich vorzeitig an den heissen Auslassventilen oder der heissen Zündkerze entzuenden.
Der Wankelmotor eignet sich besonders für den Schichtladebetrieb, weil zum Einspritzen mehr Zeit zur Verfuegung steht und die Ladungsschichtung sich ohne Hilfsmittel einstellt.
Der Hauptnachteil des Wankelmotors ist sein sehr flacher, langgestreckter Verbrennungsraum, der im Vergleich zum Hubkolbenmotor ein unguenstiges Verhältnis zwischen Brennraumvolumen und -oberflaeche hat und deshalb relativ viel Energie in Form von Verlustwaerme verlorengeht. Bei alten Wankelmotoren mit Umfangsauslass wurde relativ viel Gemisch unverbrannt zum Auslassschlitz ausgeschoben. Dies fuehrte zu hohen HC-Werten im Abgas. Gleichzeitig hatte man eine unerwuenscht hohe Abgasrueckfuehrungsrate, was zu Zuendaussetzern im Leerlauf und im Teillastbetrieb führen konnte. Dies kann man mit einem Seitenauslass vermeiden, wie er beim Mazda Renesis in der Serie eingesetzt wird. Dort wird kein unverbranntes Gemisch mehr durch den Auslass ausgestossen.
Das Ausschieben von unverbranntem Gemisch reduziert man durch die Verwendung einer Doppelzuendung und/oder auch mit einer einzigen Kerze in der Late-Trailing-Position (Late Trailing = die nacheilende Kerze ist weit oberhalb der Einschnuerung angeordnet); der Verbrauch wird so gegenüber den fruehen Ausführungen um etwa 30 Prozent gesenkt. Die zweite Kerze ist ohnehin bei Flugzeugmotoren wegen der damit verbundenen höheren Ausfallsicherheit Pflicht. Im Mazda 26B (24-Stunden-Rennen von Le Mans 1991) wurde sogar eine Dreifach-Zündung eingesetzt, womit ein spezifischer Verbrauch von 210 g/Psh bei 6000 Upm erreicht wurde.
Mazda hat die aequidistante (Abstand zwischen rechnerischer Trochoide zur tatsaechlichen Laufbahn) beim Renesis (RX-8) gegenüber den bisherigen Mazda 13B verkleinert; hierdurch wurde das Volumen der Zwickel verkleinert und im Gegenzug der Verbrennungsraum mehr in die Brennraummulde des Laeufers verlagert. Man hat somit die Brennraumoberflaeche und das Volumen der Zwickel verringert. Beim Waermeuebergang kann man nicht eindeutig nur die Brennraumoberflaeche betrachten, weil auch Brennraumdruecke beim Waermeverlust und die herrschenden Brennraumtemperaturen berücksichtigt werden müssen. Auch sieht man heute eine drehzahl- und temperaturabhaengige Kuehlung des Laeufers vor. Bei aktuellen Mazda-Modellen werden die Laeufer bis 60°C oeltemperatur überhaupt nicht gekuehlt, darüber erst ab einer Motordrehzahl von 3000 U/min. So erreicht man eine lastkonforme Kuehlung des Laeufers, was den Wirkungsgrad des Motors verbessert. Insgesamt verringert man den Waermeverlust allgemein durch heute deutlich höhere Betriebstemperaturen. Das Waermemanagement eines modernen Viertakt-Hubkolbenmotors ist aehnlich kompliziert.
Während beim Hubkolbenmotor der Brennraum im Ansaugtakt durch das Frischgas gekuehlt wird, bildet sich beim Wankelmotor eine heisse Zone (warmer Bogen) aus, die gekuehlt werden muss. Den mit einer ungleichmaessigen Temperatur des Motorblocks verbundenen Waermeverzug kann man beim Wankelmotor durch entsprechende Kuehlwasserfuehrung und/oder Stahleinlagen (zum Beispiel SIP-Verfahren bei Mazda) in tolerierbaren Bereichen halten.
Der scheinbare Nachteil der raeumlichen Trennung von Verbrennungs- und Verdichtungsraum macht den Wankelmotor besonders geeignet zur Verbrennung von Wasserstoff und aehnlichen Brennstoffen mit geringer Oktanzahl, da sich das Gasgemisch nicht vorzeitig an heissen Bauteilen (wie etwa den Auslassventilen und der Brennraumoberflaeche) entzuenden kann.
Fahrzeuge mit Wankelmotor
• Mazda RX-8 (seit 2003)
• Mazda RX-7 (1978 - 2002)
• Mazda RX-5 (1975 - 1981)
• Mazda RX-3 (1972 - 1977)
• Mazda RX-2 (1971 - 1974)
• Mazda 110 S Cosmo Sport (1967 - 1972) 1. Serienwankel mit Zweischeibenmotor
• Mazda 787B (1991 LeMans 24h Gewinner)
• NSU Ro80 (1967 - 1977)
• NSU Wankel Spider (1964 - 1967)
• Audi 100 C2 (1976 - 1977) ca. 25 Prototypen in der Erprobung
• Citroën GS Birotor (19?? - 19??)
• Citroën M35 (19?? - 19??)
• Datsun ?? (19?? - 19??)
• Mercedes-Benz C111 (Prototyp 1969 - 197?)
• IFA (MZ, Trabant, Wartburg), einzelne Prototypen von 1961 bis Ende der 1960er Jahre
• Lada (1970er - 1990er Jahre)
• Die Flugautos M200 und M400 der Firma Moller
Motorraeder
• Hercules W 2000 "Staubsauger" Hercules Wankel
• Suzuki RE 5
• Van Veen OCR 1000
• Norton P41 "Interpol II"
• Norton P43 "Classic"
• Norton P52 "Commander Police"
• Norton P53 "Commander Civilian"
• Norton P55 "F1"
• Norton P55B "F1 Sports"
Weitere Anwendungen
Anwendung findet der Wankelmotor auch als Flugzeugantrieb. Auch als Antrieb für Gurtstraffer kommen kleine Wankelmotoren zum Einsatz.
Eine Variante ist der "Wankel-Fremdzuendungsdiesel", ein Vielstoffmotor, der mit Fremdzuendung für den Antrieb von sogenannten Drohnen arbeitet. Zwar wird hier Diesel als Kraftstoff mit eingespritzt, jedoch kommt die dieseltypische Selbstzuendung nicht zum Einsatz. Die 1998 begonnene Entwicklung ist bis zum heutigen Tage (2004) nicht zu einem Abschluss gekommen. Die englische Firma UAV ist zur Zeit der Weltmarktfuehrer bei Drohnen-Wankelmotoren. Die Wankel Supertec hat einen Fremdzuendungsdiesel- Wankelmotor entwickelt, der im Verbrauch an hochoptimierte HKM-TDIs heranreicht.
Seit neuerem werden auch Karts von Wankelmotoren angetrieben. Die Vorteile liegen im geringen Gewicht, den wenigen bewegten Teilen im Vergleich zum Viertaktmotor und der gleichmaessigen, turbinenartigen Leistungsentfaltung. Die Leistung beträgt über 30 kW bei einem Hubraum von weniger als 300 cm³ und einem Gewicht von 17 Kilo. Der Achsantrieb erfolgt über eine Fliehkraftkupplung ohne Getriebe, was einen gleichmaessigen Drehmomentverlauf erfordert.
Kraftfahrzeugsteuer (in Deutschland)
Wankelmotoren werden nach dem zulaessigen Gesamtgewicht wie LKWs besteuert.
Die Hoehe der PKW-KFZ-Steuer bemisst sich in Deutschland nach dem Hubraum. Der NSU-RO80 mit knapp 1000 ccm Kammervolumen und 115 PS haette bei Anwendung der damaligen Hubraumsteuer von 14,40 DM/100 ccm eine Steuer von nur 144,00 DM/Jahr bedeutet. Um Wankelmotoren gegenüber Hubkolbenmotoren nicht zu beguenstigen, wollten die Steuerbehoerden zuerst das Kammervolumen doppelt rechnen, da ein Auto mit 115 PS zu dieser Zeit einem Hubraum von 2 Litern eines Hubkolbenmotors entsprach. Nach etlichen Verhandlungen einigte man sich aber auf die Anwendung der LKW-Steuer, die damals und auch heute noch bei 198,00 DM (umgerechnet in E)/Jahr liegt.
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